Der Genius Loci des Georgianum

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Die Baugeschichte des Georgianum im Laufe der Jahrhunderte

Mittelalterlicher Stadtumriss

Der Bereich, in dem sich neben der Hohe Schule und dem Georgianum weitere, zur früheren Universität gehörige Gebäude befinden („Hohenschulkastners Wohnbehausung“ – heute „Pedellhaus“ genannt, das „Churfürstliche Universitäts-Kammerariat“), lag am Rande der Planstadt des 13. Jahrhunderts an der westlichen Stadtmauer. Nachdem diese Befestigung der Stadterweiterung im 14. Jahrhundert gewichen war, ließ Herzog Ludwig der Gebartete Mitte des 15. Jahrhunderts hier ein Pfründnerhaus errichten.

Die Umwidmung dieses Gebäudes zur 1472 gegründeten Universität führte zu einer Aufwertung dieser Stelle im Stadtgrundriss. Es entstanden 1496 auf der Nordseite des Platzes stattliche Gebäude. Herzog Georg von Landshut stiftet 1494 ein Seminar für Seminaristen für anfangs 11 Alumnen, das nach ihm „Georgianum Novum“ benannt wurde und das wir heute verkürzt als „Georgianum“ bezeichnen. Am 24. April 1496 wurde das Gebäude feierlich eröffnet.

Ausschnitt aus dem großen Stadtmodell von Jakob Sandtner, 1572/73, Stadtmuseum Ingolstadt

Auf der Südseite des Platzes dagegen lagen damals die schmalen, mittelalterlichen Hausstellen auf nahezu gleich breiten Parzellen, bebaut mit giebelständigen, meist nur 2 geschossigen Gebäuden. Auch diese Struktur hat sich bis heute erhalten. Ursprünglich handelt es sich beim Georgianum um 2 Gebäudeteile: Das Seminaristengebäude, 3geschossig, zur heutigen Goldknopfgasse mit einem hohen Giebel, zum heutigen Hohen-Schul-Platz mit der Traufe, darüber ein fast gleich hoher Dachstuhl. Die Kapelle St. Peter und Paul mit einer geringfügig höheren Traufe mit einem ursprünglich wesentlich steileren Dach. Der Nordflügel wurde in seiner ersten Bauform wohl erst 1564 durch Herzog Wilhelm IV errichtet. Im Sandtnermodell (1572 / 73) ist dieser Baubestand dokumentiert.

1582 wurde ein Erweiterungsbau östlich der Kapelle errichtet. Im Sandtnermodell ist noch der vorherige Zustand dargestellt. Dieses Gebäude wurde nach einem Brand 1881 umgebaut. Von den im Sandtnermodell als Giebelhäuser dargestellten Vorgängerbauten sind keine erkennbaren Strukturen überkommen. Der Grundriss dürfte in den äußeren Abmessungen den Vorgängerbauten entsprechen. 1800 wurde das Seminar zusammen mit der Universität nach Landshut und 1826 nach München verlegt.

Im Zuge der Säkularisation wurden die bereits 1770 als baufällig bezeichneten Kolleggebäude, zusammen mit der profanierten Kapelle an den Herrnbräu-Besitzer Alois Ponschab verkauft (um 1809). 1921 erfolgte ein Umbau des ehemaligen Kolleggebäudes zum Verwaltungsbau der Brauerei. 1980 ging der heute bekannte Gebäudebestand in den Besitz der Stadt Ingolstadt über. Eine Nutzung findet sich nicht. Das alte „Collegium Georgianum“ lebt als Priesterseminar in neuer Umgebung in München weiter. Das alte, originale Gebäude in Ingolstadt sucht noch immer nach einer neuen, angemessenen Bestimmung.

Was aber zeichnet den Ort aus, was ist der Geist des Ortes?

Georgianum (links Seminargebüde, rechts Kapelle)

Von 1472 – 1800 befindet sich hier die erste bayerische Landesuniversität, insgesamt also 328 Jahre. Als diese Nutzung entfällt, beginnt die erste Minderung, eine Abnahme der Wertschätzung. Man findet die Lösung in der Nutzung als Brauerei. Es ist natürlich nicht das erste Mal, dass Gebäude, deren ehemalige, originäre Nutzung entfällt, einer neuen zugeführt werden. Gott sei Dank hat man „nutzungslose“ Gebäude nicht immer abgerissen. Im Gegenteil, es wurden neue Gebäude errichtet oder bestehende Gebäude umgenutzt. So stammt die Fasshalle aus der Baualtersphase 8/9 aus dem Jahr 1844. Bis 1921 wird das Gebäude als Brauerei genutzt, anschließend als Verwaltung. Das sind 147 Jahre einer Zufallsnutzung.

Noch ein Wort zum öffentlichen Raum.

Der Hohe-Schul-Platz ist einer der Plätze, die sich in Ihrer städtebaulichen Wirkung seit 500 Jahren kaum verändert haben. Die Qualität von Plätzen bestimmt sich nach der städtebaulichen Fassung, der Form des Platzes, der Lage der einmündenden Straßen, der Höhe der umgebenden Bebauung (den Proportionen), der Qualität der Bauten, dem Belag des Platzes, der Platzteilung. Weit davon entfernt, ob der Platz belebt ist.

Blick auf die Hohe Schule

Und wie verhalten wir uns heute? Überall soll alles belebt werden; die Attraktivität wird daran gemessen, wie viel sich auf diesen Plätzen tut. Haben wir den Mut, Plätze auch leer stehen zu lassen. Ein ruhiger Platz, an der Südseite eine Steinbank, von der Frühlingssonne beschienen, die Wärme der kommenden Jahreszeit spürend. Das kann viel attraktiver sein als Bierbänke und ein in einer Bretterbude versteckter Ausschank. Ich darf Dr. Siegfried Hofmann zitieren:

„Nicht zuletzt tragen Haus und Kirche wesentlich zur Wirkung dieses Platzes bei der Hohen Schule und dem Georgianum bei, der der vielleicht letzte, stille, nicht aus den ursprünglichen Proportionen geratene Platz Ingolstadt ist.“

Einzelnachweise

Zitat Dr. Hofmann: Sonderbeilage des DK „500 Jahre Universität Ingolstadt – München“ vom Juni 1972

Baualterspläne: F. Becker, C. Grimminger, K. Hemmeter, “Denkmäler in Bayern, Stadt Ingolstadt“