Das „Neue Georgianum” – Ein Dokument der Ingolstädter Geistesgeschichte

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(Der nachfolgende Text ist die gekürzte Version eines Vortrages, der am 27. Januar 2014 gehalten wurde. Die vollständige Präsentation finden Sie hier [[1]] )

Unser Anliegen

In der heutigen schnelllebigen Betrachtungsweise wird Ingolstadt natürlich primär mit Audi gleichgesetzt. In einer ZDF-Sendung hieß es einmal: Ingolstadt – die Altstadt zum Audi-Werk. Mit unserem Anliegen („Initiative Georgianum“) wollen wir auf über 300 Jahre der Ingolstädter Stadtgeschichte hinweisen, in denen Ingolstadt in Bayern und weit darüber hinaus eine führende Position in der damaligen Geisteswelt innehatte. Und nicht nur hinweisen, sondern real in der Stadtmitte einen Anlaufpunkt schaffen, der diese Bedeutung wieder in die Erinnerung zurückruft, der Jugend die Möglichkeit gibt, diesen bedeutenden Teil der Geschichte Ingolstadts kennen zu lernen, den neuen Bürgern, gleich ob aus dem Ausland oder von anderswo aus Deutschland, hilft, eine Ingolstädter Identität zu aufzubauen, die über das rein wirtschaftliche Interesse hinausreicht. Über das „Wie“ wollen wir Sie im Folgenden informieren.

Der Betrachtungshorizont

Der zeitliche Betrachtungshorizont

Die angesprochenen 300 Jahre umfassen zwei große geistesgeschichtliche Epochen: den Humanismus und die Aufklärung, eingeschlossen sind sowohl die Ingolstädter Universität als auch Reformation und Gegenreformation. Wenn man sich die Überlagerungen der verschiedenen Epochen ansieht, wird ein Kernzeitraum von ca. 1450 – 1800 deutlich. Ich persönlich würde das gerne noch bis 1817 ausdehnen, da in diesem Jahr die Gebäude des ehemaligen „Collegium Georgianum“ nach der vorangegangen Säkularisation und dem Verkauf 1809 zu einer Brauerei umgebaut wurden. So gesehen, können wir die Säkularisation als finalen Akt der Aufklärung erleben.

Eine wesentliche Voraussetzung

Johannes Gensfleisch, genannt Gutenberg (um 1400 – 1468)
"De Maria Virgine" von Petrus Canisius. 1577 in einer Ingolstädter Druckerei erschienen

Eine absolut wesentliche Voraussetzung für all diese Entwicklungen stellt die (üblicherweise „Erfindung“ genannte) Systematisierung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg um 1450 dar. Letztlich die Auswirkungen dieser Erfindung (und das Buch selbst) sind ein wichtiger Aspekt unseres Konzepts. Man muss sich einfach vor Augen halten, welchen übergroßen Anteil diese Innovation des Buchdrucks an den Entwicklungen jener Zeit hatte; Es ist unbestritten, dass z.B. die Reformation bei weitem nicht diese Durchsetzung erlebt hätte, wenn es den Buchdruck nicht gegeben hätte. Wie sonst hätten sich all die Ideen, Neuerungen verbreiten sollen? Ist es notwendig, darauf hinzuweisen, dass Bücher drucken und verlegen mit der Arbeit der Professoren an der Ingolstädter Universität – übrigens die erste und damals einzige Universität in Bayern – und ihrem Interesse, die Ergebnisse ihrer Arbeit zu veröffentlichen, Hand in Hand einherging? Bis zum Ende der Universität in Ingolstadt, mit dem auch das Ende der großen Zeit der Ingolstädter Buchgeschichte kam. Mehr dazu hier [[2]]  

Ist eine attraktive Umsetzung dieser Idee möglich?

Die Frage lautete nun „Lässt sich unser Anspruch so interessant gestalten, dass sowohl die Idee selbst als auch ihre Umsetzung attraktiv genug für unsere Bürger und die Besucher von außerhalb wird?“ Um die Antwort vorweg zu nehmen: Ja, es ist möglich. Wie? Indem wir die große Zeit Ingolstadts lebendig werden lassen, indem die bedeutenden Personen jener Zeit mit ihren Erfindungen, Beobachtungen, Auseinandersetzungen zu Wort kommen. Und man wird überrascht sein, was alles an Großem aus Ingolstadt in die Welt hinausgegangen ist.

Der Rahmen der Präsentation:

1. Buch und Buchdruck werden die „Klammer“ der gesamten Präsentation sein. Das Buch gibt uns Kenntnis von den (geistes-)wissenschaftlichen Entwicklungen jener Zeit. Und Ingolstadt war eines der Zentren der süddeutschen Buchgeschichte.

2. Durch die Personen werden die Inhalte, wird die Präsentation lebendig. Über die Personen hinter den Werken finden wir Zugang zu ihrer Zeit, ihren Entwicklungen und Auseinandersetzungen. Die Universität Ingolstadts war eines der (geistes-)wissenschaftlichen Zentren in Bayern und auch darüber hinaus.

3. Innovation wird der durchgängige rote Faden der Präsentation im Neuen Georgianum – bis heute. Wenn wir Innovationen als neuartige Lösungen für (manchmal noch nicht einmal formulierte) Anforderungen verstehen, dann bot das universitäre Ingolstadt ein fruchtbares Umfeld für eine andauernde Folge an Innovationen aus allen Bereichen (Medizin, Geisteswissenschaft, Astronomie usw.).

Eine mögliche räumliche Nutzung

Das Georgianum. Schematischer Grundriss

1. Ein öffentlicher Bereich, mit (Literatur)Café, Vorführungen (Kino), Veranstaltungen, Museumshop, die wir uns im Erdgeschoss des Seminargebäudes und in der Kapelle vorstellen können (wobei wir empfehlen, in der Kapelle die erst im 19. Jahrhundert eingezogenen Zwischendecken teilweise zurückzubauen);

2. Im 1. und 2. Obergeschoss des Hauptgebäudes stehen ca. 18 Räume zur Verfügung, welche für themenbezogene Präsentationen genutzt werden können, teil als Dauerpräsentation, teils als variable Installationen – einfach um der Fülle der verfügbaren Themen gerecht zu werden und gleichzeitig immer wieder neue Attraktionen für die Besucher zu schaffen. Eine denkbare Einteilung siehe nebenstehend;

Der Buchdrucker

3. Die Fasshalle bietet den perfekten Rahmen für die von uns angedachten Werkstätten wie z.B. Schau- und Handsatzdruck, Buchbinder, Künstler-Ateliers z.B. für Siebdruck, Holzschnitt usw. Warum soll etwas, was im Gutenbergmuseum in Mainz so erfolgreich funktioniert, nicht auch in Ingolstadt erfolgreich sein. Durch private, städtische Aufträge und solche aus der Wirtschaft können sich Druckerei und Buchbinderei – zumindest teilweise – finanzieren; Die Künstler-Ateliers bieten Schulen und Vereinen einen Anlaufpunkt für künstlerisches Arbeiten. Lebendiger kann ein „Museum“ nicht sein!

Daneben kann das Neue Georgianum in der vorgeschlagenen Form auch Kristallisationspunkt für verschiedene Events sein, die auf eher unterhaltsame Weise mit Ingolstadt im Verbindung gebracht werden können: z.B. die Illuminaten, Frankenstein, Dr. Faust. Ebenso lassen sich Aufführungen (in Weiterführung des Jesuitentheaters – Zusammenarbeit mit dem Stadttheater?), Schulaufführungen zu Themen aus dem Präsentationumfang vorstellen.

Sowohl durch die zentrale Lage als auch inhaltlich wäre das Georgianum ein vortrefflicher Beginn- und Endpunkt für unsere Stadtführungen … und die Führerinnen und Führer hätten ein ihrer Aufgabe angemessenes „Zuhause“.

Über die Buchgeschichte der Vergangenheit hinaus drängen sich Ausblicke in unsere moderne Welt geradezu auf: Lässt sich nicht der Umbruch im Kommunikationsverhalten, den wir heute erleben, mit seinen entsprechenden sozialen Auswirkungen, vergleichen mit den Auswirkungen, ausgelöst durch die Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg auf seine Zeit? Einen anderen Ausblick in die Moderne geben uns Künstlerbücher, z.B. Eugen Gomringer - Das MKK (Museum für Konkrete Kunst) verdankt ihm seinen Grundstock.

Mögliche Darstellungsformen

Hier lässt sich aus dem übergroßen Fundus der Museumspräsentation, Museumspädagogik, erweitert um die Möglichkeiten aus dem Messewesen schöpfen. Die Bandbreite reicht von

  • Szenischen Arrangements, „realistisch“ in Wachsfigurenkabinetts – z.B. Diskussion Eck/ Luther, oder Diskurs Scheiner/ Galilei,
  • dto. als Comic- und/ oder Manga. Hier können insbesondere Jugendliche integriert werden; über
  • „Wissenschaftliche“ Auseinandersetzungen, durch die entsprechenden Flugblätter verdeutlicht;
  • Filmische Darstellung der verschiedenen Handwerke (Buchdruck, Buchbinder, Kupferstecher, Holzschnitzer usw.), vergleichbar der Serie des BR „Der Letzte seines Standes“;
  • Präsentation der jeweiligen Hauptwerke (Originale in gesicherten Vitrinen); Faksimiles bzw. Teile daraus zur Nutzung; Computerpräsentation,
  • Lesungen in Verbindung mit temporären Ausstellungen zu relevanten Themen, z.B. Jiro Taniguchi: "Der Kartograph", Ein Jahr im Leben des Landvermessers Ino Tadataka im Japan des frühen 19. Jh. – als Parallele zur Tätigkeit Apians; oder Katrin Ströbel: "Wortreiche Bilder" - Warum lassen Künstler Buchstaben und Text in ihre Werke einfließen? Bis hin zu
  • Aufführungen (vielleicht durch Schultheatergruppen) im Sinne des Jesuitentheaters, z.B. über die Geschichte der Weißenhornschen Offizin, aufbereitet als „Familiensaga“, …

Die Möglichkeiten sind enorm und können das Neue Georgianum zu einem lebendigen Zentrum sowohl der Geschichte Ingolstadts in seiner großen Zeit, mit seiner Universität und den Professoren als auch der Geschichte des Buchwesens werden lassen.

Aber nicht rückwärtsgewandt...

... in Anbetung einer großen, vergangenen Zeit versunken. Von Thomas Morus (1478 – 1535) stammt der Ausspruch „Tradition ist nicht das Bewahren der Asche, sondern das Weitergeben der Flamme“. In diesem Sinne wollen wir das neue Georgianum mit Leben erfüllen.

Sozusagen am „jüngsten“ Ende der geisteswissenschaftlichen Entwicklung dieser Stadt schreibt das ZAW (Zentrum für Angewandte Forschung der Technischen Hochschule Ingolstadt) unter der Überschrift „Der Gesellschaft verpflichtet“. „Das ZAW knüpft an die geistige Tradition des Wissenschaftsstandorts Ingolstadt an, der seit der Gründung der ersten bayerischen Landesuniversität im Jahr 1472 als exponierter Ort der Gelehrsamkeit und Forschung bekannt war.“ [[3]]

Nachtrag

Anlässlich der 150-Jahrfeier des Historischen Vereins Ingolstadt (24. Okt. 2015) wurde über die Bedeutung der Beschäftigung mit der Geschichte für die Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt gesprochen. „Vergangenes dokumentieren, erinnern, Geschichte erlebbar machen, mit historischem Wissen an städtischen Debatten teilnehmen […] – das seien wichtige Beiträge für die Bewusstseinsbildung und das Selbstverständnis einer kommunalen Gemeinschaft.“ (DK, 26.10.2015 „Ein Experte für jeden Ziegelstein“; [[4]])

Literatur

Frank Becker, Christina Grimminger, Karlheinz Hemmeter, „Denkmäler in Bayern. Ingolstadt“, Verlag Karl. M. Lipp, München 2002

Einzelnachweise

"Der Buchdrucker": Aus dem Ständebuch von Jost (Jodocus) Amman mit Versen von Hans Sachs, 1568 [[5]]